Rezension von „Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Städte“ (oekom Verlag München, 2011)

Oft ist Guerilla Gardening in den letzten Jahren in den Medien. Dabei „werden meist nur kurzfristige Pflanzinterventionen auf vernachlässigtem Straßenbegleitgrün, die vorzugsweise nachts und ordnungswidrig stattfinden, vorgestellt; die damit einhergehende gesellschaftspolitische Kritik, der Transport von Wertvorstellungen und konstruktiven Konzepten, die der kapitalistischen Gesellschaft gegenläufig sind, werden kaum beleuchtet“ schreiben von der Haide, Halder, Jahnke und Mess in ihrem Beitrag zum Buch „Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Städte“. Das Buch hingegen schafft eine umfassende Betrachtung der verschiedensten Formen gemeinschaftlichen urbanen Gärtnerns, Community Gardens, interkulturelle Gärten, Selbsternteprojekte, Sortenerhaltungsgärten,... mit vielen Beispielen aus der ganzen Welt.

„Viele dieser Gartenprojekte sind politisch motiviert; wir bezeichnen sie als politisches Gärtnern oder Guerilla Gardening: es handelt sich um Gartenprojekte und Pflanzinterventionen, die mit konstruktiven Strategien auf zunehmende Verarmung und Vereinzelung, Ressourcen- und Machtmonopolisierung, Privatisierung von öffentlichem Raum, klimatische Veränderungen und verschiedene Formen des Ausschlusses von gesellschaftlichen Gruppen reagieren.“

In 23 Beiträgen nehmen verschiedene AutorInnen städtebauliche, stadtplanerische, historische, soziale, ökonomische und kulturelle Perspektiven auf die weltweite urbane Gartenbewegung ein. Niko Paech ordnet sie in die Überlegungen einer Postwachstumsökonomie ein; Frieder Thomas betrachtet ihr Verhältnis zur bäuerlichen Landwirtschaft; Bastian Lange zeigt die AktivistInnen auch in ihrer Widersprüchlichkeit als Raumpioniere und „Entrepreneurs“/soziale UnternehmerInnen in der kreativen Stadt: „Auch die Betreiber des Prinzessinnengartens [in Berlin] bieten mit dem Gärtnern in mobilen Bäckerkisten und dem Angebot von lokalem Essen aus Eigenanbau genau diese Art von Erlebniskultur“.
Urbane Landwirtschaft wird als Strategie angesichts Peak-Oil dargestellt, die Bedeutung für Ernährungssouveränität herausgearbeitet, als „Ökonomie des Gebens“ aus der Subsistenzperspektive gesehen. Immer wieder interessant ist in diesem Zusammenhang auch das kubanische Modell der Revolución Verde, dessen Entwicklung, Erfahrungen und auch Beschränkungen.

Interessant auch die historische Entwicklung von Gartenprojekten in Deutschland, die Elisabeth Meyer-Renschhausen nachzeichnet: von Ackerbürgerstädten des 19. Jahrhunderts, die Gartenstadtbewegung, Schrebergärten, die Verordnung zur Beschlagnahmung von Brachland zur Verteilung an Frauen, um zu Beginn des 1. Weltkriegs die Ernährung der Bevölkerung zu sichern, bis zu den „grünen Hinterhöfen der Hausbesetzer“, innerstädtischen Kinderbauernhöfen, und den heutigen interkulturellen Gärten und mobilen Gärten wie dem Prinzessinnengarten in Berlin.

Christa Müller schreibt in ihrem Einleitungskapitel: „Das Buch wagt die Diagnose, dass in den westlichen Großstädten ein neues Verständnis von Urbanität entsteht und die 'neuen urbanen Gärten' mit ihren Kulturen des Selbermachens und der Re-Etablierung von Nahbezügen hierbei eine Vorreiterrolle spielen.“
Es lohnt sich, diese Diagnose nachzuvollziehen.

Marc Amann

Christa Müller (Hg.): „Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Städte“ , oekom Verlag München, 2011
http://www.oekom.de/nc/buecher/themen/politikgesellschaft/archiv/buch/urban-gardening.html

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