Rezension: „Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest" (orange press, 2009)

Rezension: „Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest" (orange press, 2009)

Richard Reynolds ist seit 2004 in London als Guerilla Gärtner aktiv und betreut die umfangreiche Homepage http://www.guerillagardening.org. Für die Zusammenstellung seines Buches „Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest“, das vor kurzem beim Freiburger Verlag orange press erschienen ist, konnte er aus dem umfangreichen Fundus der auf seiner Homepage gesammelten Berichte vieler Guerilla GärtnerInnen der ganzen Welt zurückgreifen. Dazu ist er viel gereist und hat illegale Gemüsegärten, begrünte Verkehrsinseln, blumengeschmückte Baumscheiben und vieles mehr, was es in der Welt des Guerilla Gardening zu bestaunen gibt, besucht und dokumentiert.

Beim flüchtigeren Betrachten seiner Homepage kann leicht der Eindruck entstehen, als handle es sich bei dem von ihm verfolgten Konzept um eine andere Form des „unsere Stadt soll schöner werden“ mit nächtlichem Blumenpflanzen auf innerstädtischen Brachen, dem unerlaubten botanischen Instandsetzen verlassener Privatgrundstücke, dem Begrünen von erdigen Verkehrsinseln oder abwechslungsreicherem Gestalten von eintönigen Straßenrandgrünstreifen. Und damit um eine brave, eine reduzierte Form des Guerilla Gardening, wie sie auch in verschiedenen Mainstream-Medien in den letzten Monaten gezeigt wurde.

In seinem Buch hingegen betont Reynolds neben der ästhetischen Dimension und der Freude am Gärtnern ohne Auftrag und Erlaubnis, die politische Dimension des Guerilla Gardening. Dabei ist es weniger die Verwendung von Maos Begriffen und Beschreibungen des Guerilla-Kampfes, die sich als Stilmittel durch das Buch ziehen, als vielmehr die historische Verortung und Bezugnahme auf eine weltweit stattfindende Bewegung, die das Buch politisch spannend machen und Guerilla Gardening auch als politische Protestform und direkte Aktion der ganz handfesten mehr oder weniger illegalen Aneignung von staatlichem und privatem Besitz darstellen - zu Zwecken des kreativen Ausdrucks, des Protestes gegen Verwahrlosung, Ignoranz und Ungleichverteilung von Boden... und zu Zwecken des seelischen wie körperlichen Überlebens.

Die (historische) Weltreise des Guerilla Gardening führt dementsprechend über die Landbesetzungen der englischen Digger im Jahr 1649, die ersten New Yorker Community Garden in den 1970ern, Besetzungen von Bananenplantagen-ArbeiterInnen in Honduras und die Aktionen der Landlosenbewegung in Brasilien, bis hin zu temporären Parkplatzbegrünungen während regulär bezahlter Parkzeit, massenhaft in städtischen Blumenkästen auftauchenden Hanfpflanzen und mit Zäunchen geschützten Blümchen in Straßenbelagsrissen.

Dabei nimmt Reynolds immer eine vehement konstruktive Position ein: Dort wo Guerilla Gardening zum reinen Mittel des Protests wird, wie bei den aufsehenerregenden Aktionen im Rahmen einer Reclaim The Streets-Party in London 1996, wo Bäume in die extra dafür aufgemeißelte Stadtautobahn gepflanzt, oder den Londoner 1. Mai 2000, als in einer großen Aktion Rasenflächen auf die Straße vor das Britische Parlament ausgebracht wurde, distanziert er sich, sieht durch diese Aktionen mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Dabei übersieht er die Inhalte, die damit vermittelt wurden, welche sich um die negativen Folgen von Straßenbau und Autoverkehr bzw. ungerechter Weltwirtschaft drehten und dass dies impulsgebende Aktionen im Rahmen der damals noch jungen globalisierungskritischen Bewegung waren. Und er übersieht, dass es maßgeblich auch diese Aktionen waren, die Guerilla Gardening breit bekannt gemacht haben, als Aktionsform, die über die Einrichtung von Gemeinschaftsgärten weit hinausgeht – und damit auch politischer Kampf und „kleiner Krieg“ ist und eben nicht rhetorischer Trick und spannend klingender Name eines unspektakulären botanischen Hobby-Engagements für mehr Grün in der Nachbarschaft.

Nichtsdestotrotz ist „Guerilla Gardening“ nicht nur ein botanisches Manifest sondern auch ein politisches – und schön anzuschauen ist das Buch durch einen großen Farbfototeil auch. Wer praktische Tipps sucht, um selbst loszuziehen, wird ebenfalls fündig: Das Erstellen von Saatbomben mit Pflanzentipps für die unterschiedlichsten Böden und Zwecke wird ausgiebig erläutert. Und zu guter Letzt bleibt beim Lesen von den lateinischen Namen der vielen Pflanzen weniger hängen als von Maos Beschreibungen und Tipps der Guerilla-Taktiken. Und das kann ja, in welchem Zusammenhang auch immer, vielleicht irgendwie mal wieder von Nutzen sein – für botanische oder andere Anlässe.

Marc Amann


Richard Reynolds: Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest. Freiburg 2009 (orange press)
http://www.orange-press.com/programm/alle-titel/guerilla-gardening.html

Buch "Guerrilla Gardening: A Manualfesto"

New Society Publishers aus Kanada hat bereits Anfang 2007 ein Buch über Guerilla Gardening herausgebracht:
"Guerrilla Gardening: A Manualfesto" von David Tracey.

Hier der Link zum Verlag und der dortigen Beschreibung des Buches:
http://www.newsociety.com/bookid/3945

Gegensaat: Bio- statt genmanipulierten Kartoffeln (Falkenberg 2008)

Auch eine Form des Guerilla Gardenings:
Gegensaaten, das Aussähen von Pflanzen als Sabotage von Experimanten mit genmanipulierten Pflanzen.
Bericht und Fotos und Film einer Aktion im April 2008 in Falkenberg unter:
http://de.indymedia.org/2008/04/213360.shtml
http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/170408via_campesina.html

Die-In-Flashmob gegen Bundeswehr-Karriere-Truck (Karlsruhe, Juni 2009)

"Auffallend viele Menschen versammelten sich am Dienstag Nachmittag in Karlsruhe auf dem Marktplatz. Um 17:00 Uhr ließen sie sich zeitgleich wie auf Kommando rund um den dort stehenden Bundeswehr-Karriere-Truck fallen und lagen mehrere Minuten bewegungslos auf dem Boden. Ein Heer von Leichen umgab den Truck.
Die Aktivisten malten anschließend mit Kreide jeweils ihren Körperumriss auf den Boden, bevor sie den Marktplatz wieder verließen.

„Eine Karriere bei der Bundeswehr bedeutet nicht Spaß und Action sondern Krieg und Töten. Während die Bundesregierung harmlose Killerspiele verbieten will, werden in ihrem Auftrag Kinder und Jugendliche fürs Töten begeistert.“ (...)
Bild und Artikel unter:
http://de.indymedia.org/2009/06/255021.shtml

Pappkarton-Aktion während "Lagerland"-Aktionstage (München, 2009)

Bericht über die Kampagne gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern mit schönem Foto einer Aktion mit Pappkisten, die vermutlich im Rahmen dr Abschlußdemo stattgefunden hat, aber im Text nicht näher beschrieben ist - sieht gut aus:
http://de.indymedia.org/2009/06/253800.shtml

Denkmal für Opfer der Gebirgsjäger (Mittenwald, 2009)

"Am Pfingstsamstag stellte der Arbeitskreis „Angreifbare Traditionspflege“ auf dem Bahnhofsvorplatz in Mittenwald ein Denkmal für die Opfer von Nazi-Verbrechen auf. An der Feierlichkeit nahmen über 200 Menschen aus verschieden Ländern teil.
Das Denkmal wurde in einem bewegenden Akt von Maurice Cling, Max Tzwangue, Marcella und Enzo de Negri enthüllt. Maurice Cling ist Auschwitzüberlebender, der nach dem Todesmarsch von Dachau von Alliierten in Mittenwald befreit wurde. Max Tzwangue war französischer Widerstandskämpfer. Marcella und Enzo de Negri sind die Kinder des auf der griechischen Insel Kephallonia von Gebirgsjägern ermordeten Hauptmann Cap. Francesco de Negri."

zusammenfassender Bericht mit weiteren Links:
http://kommunikationsguerilla.twoday.net/stories/5735738/

GRIPS-Projekt "Theater in Bewegung" (2009)

Theater in Bewegung

Theorie und Praxis entwicklungspolitischer Theaterarbeit
für MultiplikatorInnen und Akteure

Ausgehend von der jahrelangen Erfahrung der GRIPS Theaterpädagogik mit kreativen Protestformen (meist in Zusammenarbeit mit NGOs) will das Projekt "Theater in Bewegung" Menschen aus der Entwicklungszusammenarbeit, sozialen Bewegungen und NGOs die Möglichkeit geben, künstlerische Arbeits- und Aktionsformen kennen zu lernen.

Im zweiten Halbjahr 2009 werden wir 6 bundesweite Pilot-Workshops für MultplikatorInnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft durchführen.

In einer Verbindung von Theorie und Praxis werden darin die Grundlagen von Theater-Aktionsformen im öffentlichen Raum, Methodenwissen und Handlungskompetenz vermittelt, um entwicklungspolitisch relevante Themen (wie Armut, soziale Gerechtigkeit, Klima, Umwelt, Migration, Krieg, Frieden) wirkungsvoll in die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Ergebnisse und Erfahrungen aus diesen Pilot-Workshops dienen zugleich als Grundlage für ein umfangreicheres Nachfolgeprojekt.

Das Projekt wird in Kooperation mit dem GRIPS Theater sowie zahlreichen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt und von InWEnt gGmbH (www.inwent.org) aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.

Weitere Infos zum Download unter:
http://www.gripswerke.de/aktuelles/index_aktuelles.html
dort: "Theater in Bewegung"

bundesweiter Flash Mob "Grundgesetz lesen" (Mai 2009)

Aus dem Umfeld des bundesweiten AK Vorratsdatenspeicherung wurde zu einem bundesweiten Flash Mob am Sa. 23. Mai 2009 aufgerufen. Der Flash Mob sollte Protest gegen die Einschränkungen von Grundrechten durch neue Überwachungsgesetze wie Vorratsdatenspeicherung etc. ausdrücken - wurde aber in der Medien-Kommentierung oft unkritisch in die offiziellen Feierlichkeiten des 60-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes eingefügt ("Bürgerrechte-Flashmob feiert Grundgesetz").
Ein schönes Beispiel, wie Protest und seine Form vereinnahmbar sein können.
Trotzdem hat es in eingen lokalen Medien aber auch zu Berichten mit Nennung des überwachungskritischen Hintergrunds der Aktion geführt.

Der Aufruf zum Grundgesetzlesen-Flash Mob:
http://mogis.wikia.com/wiki/Grundgesetzlesen

Berichte aus einzelnen Städten:
http://mogis.wordpress.com/2009/05/23/na-wie-wars/
http://mogis.wikia.com/wiki/Diskussion:GrundgesetzlesenWieWars#M.C3.BCnster

Süddeutsche Zeitung: "Happening mit Grundgesetz":
http://manublog.de/blog2/wp-content/uploads/2009/05/ggflashmob.jpg

"Bürgerrechte-Flashmob feiert Grundgesetz":
http://www.heise.de/newsticker/Buergerrechte-Flashmob-feiert-Grundgesetz--/meldung/138312

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